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Erschienen in: esotera 7/2000
(Seite 84-87) |
Der Schatz des Regenwaldes
Den Schutz des Regenwaldes, die Bewahrung und Nutzung
des indianischen Heilwissens und Sicherung eines Mindest-Einkommens
für die einheimischen Indianer und anderen Dorfbewohner -
das alles vereint das Projekt „Baum-Patenschaft" einer
deutschen Firma
Von Ulrich Arndt
Mindestens 5000 alte Rosenholz-Bäume sollten sterben, als Rohstoff
für feinstes, teures Rosenholzöl. Sie stehen im Herzen eines
noch unberührten Areals des Amazonas-Regenwaldes. Die dort lebenden
Satere-Mawe-Indianer sollten sie illegal fällen, für läppische
50 Mark das Stück. Auftraggeber: eine europäische Parfüm-Nobelfirma.
Allein dem Engagement der örtlichen Naturschützer und deren
Unterstützung durch die deutsche Firma „La Florina" ist
es zu verdanken, dass dieses Regenwald-Gebiet vom großflächigen
Raubbau verschont geblieben ist.
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Ob.: Schützenswerte alte Lapacho-„Teebäume" im
Amazonas-Regenwald bei Silves. Unten: Mit einer Baum-Patenschaft
kann jetzt jeder den Erhalt derartiger Heilschätze unterstützen |
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Dennoch kommt es in dem 790 000 Hektar großen
Indianer-Reservat immer wieder zu illegalen Rodungen, denn das
unwegsame Gebiet ist nicht zu kontrollieren. Deshalb setzen die
Naturschützer in Zusammenarbeit mit der Universität Amazoniens
auf die kontrollierte ökologische Nutzung und vor allem auf
neue Technologien: Zum Beispiel wurde eine neue Methode zur schonenden
Gewinnung von Rosenholzöl entwickelt. Sie ermöglicht
es, das wertvolle Duftöl aus nachwachsenden Zweigen und Blättern
der Rosenholzbäume statt aus dem gefällten Baum zu gewinnen.
So ist eine dauerhafte ökologisch vertretbare Nutzung der
Gehölze möglich. Auf diese Weise erhalten die dort lebenden
Indianer und armen Dorfbewohner ein zwar noch geringes, aber langfristiges
regelmäßiges Mindest-Einkommen. „Nur durch Zufall
hatten wir von der beabsichtigten Zerstörung eines Stückchens
Regenwald-Paradies gehört, da wir bereits zwei andere Projekte
zum Schutz des Regenwaldes und zur ökologischen Nutzung seiner
Pflanzenschätze betreiben", berichtet Sigrun Scherneck.
Sie ist Geschäftsführerin von „La Florina",
einer Vertriebsfirma für naturreine ätherische Öle,
Kosmetik, Weine, Räuchermittel und andere Naturwaren.
Regenwald-Dort wird Modellprojekt
Scherneck und ihre brasilianischen Partner konnten
mit viel Engagement und bisher nur geringen finanziellen Mitteln
bereits Erstaunliches erreichen:
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Ob.: Neues Gewächshaus für„Regenwald"-Stecklinge
der NaturschutzVereinigung „AVIVE". Li.: Bestandsaufnahme
für die Wiederaufforstung |
In Silves, einem kleinen Ort mitten im Amazonasgebiet,
wurden 200 000 Quadratmeter Regenwald vor der Brandrodung bewahrt
und fast das gesamte Dorf in ein Modellprojekt verwandelt. Heute
werden nicht nur die alten Bäume des Areals gepflegt und neue
angepflanzt. Gemeinsam mit der 1999 von den Frauen aus Silves selbst
neu gegründeten Naturschutz-Vereinigung „AVIVE" wurde
auch mit dem Anbau einheimischer Aromapflanzen wie Vetiver, Patchouli
und Palmrosa nach ökologischen Gesichtspunkten begonnen. „Sogar
eine kleine Destillationsanlage zur Gewinnung der ätherischen Öle
und Treibhäuser für die Anzucht der Stecklinge wurden
errichtet", freut sich Scherneck. Die Frauen stellen zum Beispiel
aus Rosenholzöl naturreine Haut- und Haarpflegeprodukte her,
und sie mischen nach alten indianischen Rezepturen spezielle Räuchermittel
zusammen, die in eine spezielle kleine Nuss gefüllt und darin
schonend aufbewahrt werden können. Alle diese Produkte sollen
ab Sommer diesen Jahres über „La Florina" vertrieben
werden.
Das Modellprojekt wird durch die Aktivitäten einer zweiten Dorforganisation,
der schon seit Mitte 1994 existierenden „ASPAG", ergänzt.
Sie betreut in Zusammenarbeit mit dem „World Wildlife Found" (WWF)
ein Projekt zum Schutz der Fische in den umliegenden Gewässern -
wie der seltenen blauen und rosa Flussdelphine - und eine kleine Hotelanlage.
Viele unbekannte Heilpflanzen
In
lockerer Runde wird die Zusammenarbeit zwischen Naturschützern
und anderen Dorfbewohnern abgestimmt
Ein weiteres Projekt wurde in dem Dorf Envira gestartet,
das an einem Nebenarm des Rio Solimoes inmitten noch weitgehend
intakten Regenwaldes liegt. Hier wird eine große ehemalige
Kautschuk-Plantage, die wegen mangelnder Nachfrage stillgelegt
worden war, wieder aufgeforstet. Ein kleinerer Teil davon soll
für den ökologischen Anbau von Tee - insbesondere spezieller
einheimischer Heiltees - genutzt werden, die dadurch später
auch in Europa zur Verfügung stehen werden. Zudem beginnt
in Envira eine Anzucht von Baumsetzlingen. Etwa 100 Familien werden
in dem Tee-Projekt Arbeit finden „und fair entlohnt werden",
wie Scherneck betont. Damit erhalten sie ein festes Einkommen und
müssen nicht mehr aus blanker Not den Regenwald plündern
und zerstören. All dies dient dem höheren Zweck, den
Heilpflanzen-Schatz des Regenwaldes zu bewahren. „Es gibt über
400 einheimische Heilpflanzen, die in ihrer Anwendung in der westlichen
Medizin noch nicht bekannt sind", sagt Sigrun Scherneck. Unterstützt
wird von „La Florina" auch das staatliche „Institut
für Amazonasforschung" (INPA), das im August diesen Jahres
einen internationalen Kongress über die Amazonas-Pflanzen
veranstaltet. Wissenschaftler aus ganz Südamerika und aus
Deutschland werden dort zusammentreffen.
Das Wissen der Indio-Schamanen
„Nicht nur die Pflanzen des Regenwaldes drohen
für immer verlorenzugehen. Auch das unschätzbare Wissen
der indianischen Heilkundigen und Schamanen um diese Pflanzen,
die Körper, Geist und Seele heilen können, stirbt aus",
fürchtet Scherneck. Mit ihren indianischen Heiltees und Räuchermitteln
nach indianischem Rezept möchte sie dem entgegenwirken.
Um weitere Projekte zu initiieren und deren dauerhaften Bestand zu sichern,
hat Scherneck jetzt „Baum-Patenschaften"* ins Leben gerufen:
*Nähere Informationen zu den "Baum-Patenschaften" unter:
La Florina, „Baum-Patenschaften", Auf der Tannenhöhe,
35327 Ulrichstein, Fax: 06645/919326, email: laflorina@ t-online.de,
www.laflorina.com
Patenschaft für die
Lunge der Erde
Mit der Übernahme einer Baumpatenschaft in
Höhe von 100 Mark jährlich - für einen alten Baum
oder für zehn junge Bäume - kann jetzt jeder den Schutz
des Regenwaldes und des Heilpflanzen-Schatzes persönlich direkt
unterstützen. Man kann sich sogar aussuchen, ob man eine ganz
bestimmte Baumart schützen möchte - zum Beispiel einen
Lapachobaum, aus dessen Rinde ein weltweit bekannter heilender
Tee gewonnen wird, einen Rosenholz-, Mahagoni- oder Tonkabaum und
so weiter. Die Baumpaten können zudem an ermäßigten
Regenwaldreisen in das Gebiet teilnehmen, „ihren" Baum
und die Sehenswürdigkeiten des Landes besuchen. Eine dieser
Reisen wird jährlich unter den Baumpaten verlost.
„ Wir können von den Ländern der Regenwaldgebiete nicht verlangen,
alles unter strengen Naturschutz zu stellen, um die 'Lunge' unseres Planeten
zu erhalten. Wir müssen auch unser eigenes Handeln überdenken. Wir
sind direkt an der Zerstörung der tropischen Wälder beteiligt, wenn
wir Produkte aus Edelhölzern kaufen, die nicht aus nachwachsendem Anbau
stammen. Oder wenn wir bei Großkonzernen kaufen, die riesige Rinderherden
auf den brandgerodeten Flächen des Regenwaldes weiden lassen", betont
Scherneck. Für sie sind die „Baum-Patenschaften" daher auch eine
kleine Wiedergutmachung für den Schaden, den wir Europäer mit angerichtet
haben.
Bildquellen: ©La Florina
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