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Erschienen in: esotera 5/1998
(Seite 30-33) |
SpielerEi mit Sinn und Verstand
Neuerungen erleben - erfühlen, sinnlich „begreifen" sollten
die Mitarbeiter eines Konzerns die nächste Gerätegeneration.
Zu diesem Zweck lud er sie ein zu einem einzigartigen „Eivent"
Von Ulrich Arndt
Blau-violettes Licht umgibt den von einer Stoffhülle eiförmig
umgrenzten Raum, dessen Inneres ein duftig fallender vielspitziger Baldachin
dem Blick entzieht, mit einer Atmosphäre des Geheimnisvollen. Eigentümliche
sphärische Klänge dringen zum Eingang der großen Halle
herüber, wo sich auf einer Galerie erwartungsvoll die Gäste
versammelt haben: Führungskräfte der Bosch-Siemens Hausgeräte
GmbH (kurz: BSHG) und ihrer europäischen Tochter- und Partnerfirmen. Überraschung
und Neugierde spiegeln sich auf ihren Gesichtern. Auch für vielgereiste
und erfahrene Manager ist dieser Ausblick etwas vollkommen Neues. Es
ist das erste Mal, daß sie zu einem „Eivent" eingeladen
worden sind.
Blick
von der Eingangsgalerie auf den eiförmig umgrenzten Erlebnisraum
des „Eivents": eine innovative Mischung aus Verzauberung
und Information
Üblicherweise werden Produktneuerungen von
Firmen in Form von Vorträgen und mit Hilfe von Dias und Overheadfolien
rein sachlich vorgestellt. Das war bisher auch bei derartigen „Events" von
Bosch-Siemens der Fall. Ende 1997 jedoch ging die Weltfirma völlig
neue Wege, die ganzheitliches Denken und Ansätze zu Neuem
Management erkennen lassen. Alle Führungskräfte - von
der Geschäftsführung, den Markenverantwortlichen, Vertriebstrainern
und den europäischen Marketing- und Schulungsleitern bis zu
den Vertriebsverantwortlichen des In- und Auslandes - sollten die
Vorzüge der neuen Kühlgerätegeneration, die in den
nächsten eineinhalb Jahren auf den Weltmarkt kommen wird,
nicht nur auf intellektuellem Wege kennenlernen. Vielmehr sollten
die Neuerungen erlebt und erfühlt, also mit allen Sinnen erfahren
und „begriffen" werden können. Eine ganz neue Form
der internen Kommunikation wurde erprobt, in der jeder einzelne
aktiv werden sollte. Ihr Ziel - neben der Vermittlung von Sachinformationen über
die neue Produktpalette - war es, daß sich die Teilnehmer
als Gemeinschaft erleben, eine gemeinsame Vision entwickeln, um
die so entstandene Begeisterung und Energie später in die
Vermarktung der neuen Geräte einfließen zu lassen. Das
scheint geglückt zu sein. Jetzt, ein Vierteljahr später,
resümiert die Firmenleitung der Bosch-Siemens Hausgeräte
GmbH, „der 'Eivent' war als europäischer Start für
die 'Kälteoffensive 2000' der BSHG nicht nur beeindruckend,
er war einzigartig und sucht Vergleichbares nicht nur in unserem
Unternehmen, unserer Branche, sondern überhaupt". Erdacht
und organisiert worden war die außergewöhnliche Präsentation
von Michael Bischof, dem 38jährigen Geschäftsführer
und Creativ-Director der Stuttgarter Agentur für Werbekommunikation „B.E.R.G".
Die Grundidee dazu entstand, wie er berichtet, eigentlich aus zwei
Randbemerkungen des Auftraggebers Bosch-Siemens: „Wir haben
da etwas für den Handel ausgebrütet" und „damit
wollen wir Märkte aufbrechen", sagte der. Ausgehend davon,
entwickelte Bischof ein Event-Konzept rund ums „Ei" -
das „Eivent" war geboren: „Meine Assoziation war,
daß das Ei als natürliche Verpackungsform` in gewisser
Weise der Funktion von Kühlgeräten als Aufbewahrungs-,
Schutz- und Frischhalte-Behältnis entspricht", beantwortet
Bischof die Frage, was dieses Symbol mit dem „Thema" des
Hausgeräte-Herstellers zu tun habe.
Beweggründe für
Innovationen erforschen
Als räumliche Umsetzung der Idee schuf der Werbefachmann
in einer großen Halle der Berdux-Filmstudios in München
jenes riesige „Überraschungs-Ei" - einen begehbaren
Erlebnisraum, in dem verschiedene Abteilungen jeweils eine der
Neuheiten optisch, akustisch und für den Tastsinn erfahrbar
machen.
Auf diesen geheimnisvoll illuminierten „Erlebnispark für Manager",
wie ihn Bischof scherzhaft nennt, schauten die leitenden Angestellten
der BSHG zu Beginn von der Galerie am Eingang hinab. Insgesamt 400 Personen,
in Gruppen von jeweils acht Teilnehmern, wurden dann innerhalb von drei
Tagen von extra geschulten Wirtschaftsmoderatoren durch die Rauminstallation
geleitet.
„...den
Betrachter ein Stück weit in seine eigene innere Tiefe
führen - zu seinem zutiefst menschlichen und spirituellen
Kern" |
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Im
Außenraum, nach dem Rundgang im „Ei", stand
die neue Produktpalette für weitere Erprobungen bereit |
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Durch ein
raffiniert gestaltetes Spiegelkabinett gleich nach dem Eingang
wurde die aktuelle Marktsituation sinnfällig gemacht:
unübersichtlich, verwirrend und der Ausweg scheinbar verstellt |
Um Zugang zum „Ei" zu erhalten, muß es
zuerst „gepellt" werden. An einer bestimmten Stelle
- „Europe" steht in großen Lettern auf einem der
Styroporblöcke, aus denen dort die Außenwand des Event-Gebäudes
gebildet wird - müssen die Manager eigenhändig einige
der großformatigen Mauersteine herausnehmen und sich so gleichsam
den Weg zum europäischen Markt der Zukunft freiräumen.
Jeder Block symbolisiert zugleich auch einen Themenbereich aus
der konkreten Produktentwicklung oder der Firmen- und Produktphilosophie.
Beim Quader mit der Aufschrift „Im Namen des Volkes" etwa
wird hinterfragt, ob man nur ein weiteres neues Produkt im Markt
plazieren will oder vielmehr die Zielvorstellung vorherrscht, real
vorhandene Wünsche der Kunden und Anforderungen des Marktes
zu erfüllen. Eine Innovation müsse für die Bedürfnisse
der Menschen entwickelt werden und nicht allein höherer Profite
wegen.
Multimediale sinnliche Erfahrungsräume
Ist der Eingang freigeräumt, stößt
die Gruppe auf ein Wegweiser in Gegenwart und Zukunft. Die gegenwärtige,
aktuelle Marktsituation wird durch ein raffiniert gestaltetes Spiegelkabinett
sinnfällig dargestellt: unübersichtlich, verwirrend -
viele Wege verstellt - man steht sich überall selbst im Weg
- mitunter ist kein Ausweg zu finden ...
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An einen
Multimediaterminal wurden die Fakten per Video noch einmal
zusammengefaßt |
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Die Mauerblöcke
des Eingangs symbolisierten wichtige Themen |
Die „Zukunft" sieht völlig anders
aus. Dank der neuen Produkte - so die unausgesprochene Botschaft
der dortigen Rauminstallationen - werde die Marktlage sich gänzlich
verändern. Auf dem Weg in diese Zukunft schwebt der Gruppe
zunächst ein riesiger Erdball, wie man ihn aus weiter Entfernung
vom All aus sieht, als wandfüllende Projektion entgegen. Wie
aber auf diese „zukünftige" Erde gelangen? Zur
Verblüffung der Gruppe tritt ihr Event-Begleiter einfach durch
die (aus dünnem Papier bestehende) Projektionsfläche
hindurch. Es bedarf, sagt die Symbolik, nur eines kleinen, aber „grenzüberschreitenden" Schrittes,
damit sich die Perspektive völlig verändert.
Ist dieser Schritt erfolgt, eröffnen sich die bis dahin verstellten
Wege (zu den Märkten) fast von selbst - zum Beispiel ganz praktisch
in Form verschieden breiter Türen, durch die die neuen Maße
und Größen der Kühlgeräte „erlebbar" gemacht
werden.
In ähnlicher Weise werden neue Einbautechniken und andere Produktveränderungen,
die zur Zeit noch Betriebsgeheimnis sind, auf überraschende Weise
anschaulich dargestellt - auch scherzhaft-spielerisch:
Ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem ein Metallring um die gewundene Leiterschlange
eines überdimensionalen Elektronikchips geführt werden muß,
soll den Zusammenhang zwischen Energie und Raum illustrieren. Berührt
der Ring den Leiter, geht eine Warnblinkleuchte an und ein verborgener
Kompressor wird außer Betrieb gesetzt; die Folge ist, daß ein
- aufblasbarer - knallgelber Kühlschrank plötzlich in sich
zusammenfällt.
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Die Variationsmöglichkeiten
der neuen Geräte wurden anhand verblüffender Überblendprojektionen
per Dia veranschaulicht |
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Geschicklichkeitsspiel:
ein Metallring muß um die Leiterschlange eines „Mega-Chips" geführt
werden; bei Kontakt sackt ein aufblasbarer Kühlschrank
zusammen |
Sphärische Klänge, völlig verschieden
von der sonst bei Produktpräsentationen üblichen euphorisch-pathetischen „lndustriemusik",
setzen die Zukunftsperspektive der BSHG-Produkte auch akustisch
um. Der in esoterischen Kreisen sehr bekannte Musiker und Komponist
Shantiprem kreierte eigens für die verschiedenen Event-Räume
eine spezielle Klanginstallation: Aus zahlreichen im „Ei" verborgenen
Tonquellen dringen insgesamt acht verschiedene Klangstücke
ans Ohr des Gastes. Je nachdem, wo er sich gerade befindet, mischen
und überlagern sich diese Klänge in unterschiedlicher
Intensität zu immer neuen ungewöhnlichen Höreindrücken.
Auf diese Weise wollte Shantiprem musikalisch „einen Raum
für Begegnungen zur Verfügung stellen, für eine
neue Art der Kommunikation: freiwillig und respektvoll, nicht verführerisch,
wie sonst in der Marketing- und Werbebranche üblich".
Tiefes Erleben statt schönem
Schein
Am Schluß des Rundgangs im „Ei" erwartet
die achtköpfige Manager-Gruppe ein Multimediaterminal, der
an einen Nachrichtenumschlagplatz der Börse oder an die Kommandozentrale
eines Film-Raumschiffes erinnert. Hier werden die wichtigsten Fakten
in einem kurzen Video zusammengefaßt, noch einmal wiederholt
und mit einem Booklet als Gedächtnisstütze dauerhaft „verankert".
Doch damit ist das Eivent noch nicht beendet. „Hinter dem
Ei` standen dann die Prototypen der neuen Produktpalette bereit,
und es war höchst erstaunlich, mit welchem Spaß und
brennenden Interesse die Besucher sofort hinliefen - allein um
das, was sie gerade mit Hör-, Seh- und Tastsinn schon erlebt
hatten, noch einmal selbst am Gerät spielerisch auszuprobieren
und zu vertiefen", erinnert sich Michael Bischof.
Für den Creativ-Director der Werbeagentur - in der selbst nach Ideen
neuen Managements: von demokratischer Kommunikation, ungeachtet der jeweiligen
Position, bis zur Offenlegung aller Finanzen gearbeitet wird - ist diese
neuartige Event-Form jedoch mehr als nur eine gelungene Informationsveranstaltung.
Für ihn beinhalten derartige Formen der Kommunikation und Werbung
noch eine moralische und spirituelle Dimension: „Die Werbesprache
sollte nicht einfach nur Verpackung und schöner Schein sein. Ich
versuche vielmehr - wie beim Eivent - die Menschen zu einem tiefen inneren,
fast spirituellen Erleben zu führen." Überraschung und
Spiel oder die Enthüllung des inneren Zaubers und der verborgenen
Dimension eines Gegenstands können seiner Überzeugung nach
den Betrachter ein Stück weit in seine eigene innere Tiefe führen
- „zu seinem zutiefst menschlichen und spirituellen Kern".
Bildquellen: ©B.E.R.G. |