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Erschienen in: esotera 10/1996
(Seite 66-71) |
Andere Wirklichkeiten
Eine faszinierende Reise in die Welt des Mikrokosmos
und zugleich die Entdeckung der besonderen ästhetischen Formensprache
der vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft - das ist jetzt
per Video für jeden zu Hause möglich. Der international
bekannte Wissenschaftsfotograf und Multimedia-Künstler Manfred
P. Kage trug mit seinen außergewöhnlichen Aufnahmen
wesentlich zu der vierteiligen Videoserie bei, die man auch zur
Meditation nutzen kann
Von Ulrich Arndt
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Der Landschaftsachat
symbolisiert das Element Erde auf besondere Weise: als Gesteinsmaterial
baut er die Erde mit auf, aber zugleich bildet er auch ihr
mögliches Erscheinungsbild ab (gr. Bild: Ausschnitt) |
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Der weiß schimmernde Dufthauch eines Aromaöles,
auf geheimnisvolle Weise sichtbar gemacht, entschwebt in sanften
Wellen durch die Luft - zarter noch als Rauch, eher der flüchtigen
Liaison von Licht und Wassertröpfchen gleich, die als duftiger
Nebelhauch in der Morgensonne vergeht. Dann folgt ein nicht minder
anmutiges Formenspiel wallender und strudelnder Schwaden von überraschend
intensiver Farbigkeit: Gas, das einen Katalysator durchströmt.
Luft |
Das unsichtbare
Element Luft kann sanft geschwungene Formationen enthüllen,
wenn ein künstlerischer Blick ins Mikroskop der Duftwelle
begegnet. Hier steigt sie von einem Teststreifen auf |
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Das Element Luft - scheinbar farb- und formloses "Nichts",
für das Auge nicht wahrnehmbar und normalerweise nur an seinen
Wirkungen, wie dem Rauschen der Blätter und den Berührungen
unserer Haut, indirekt zu erfahren - enthüllt sich in einem
meditativen Videokunstwerk auf völlig neue und überraschende
Weise. Mit speziellen technischen Verfahren, etwa der sogenannten
Schlierenoptik, ist es dem international renommierten Wissenschaftsfotografen,
Spezialisten für Mikroaufnahmen und Multimedia-Künstler
Manfred P. Kage, 61, gelungen, das allgegenwärtige unfaßbare
Element sichtbar zu machen. Im Rahmen der vierteiligen Videoreihe “The
Art of Science and Nature" über die vier Elemente Erde,
Wasser, Feuer und Luft gestaltete Kage insgesamt drei Filme - darunter
das beschriebene Video “Luftskulpturen". “Die
Natur ist die größte Künstlerin." Wie richtig
dieser bekannte Ausspruch ist, macht Kage in seinen “Videostreifzügen" durch
die Welt der vier Elemente auf faszinierende Weise erfahrbar. Ein
völlig neuer Kosmos taucht vor dem Auge auf, von dessen Existenz
und Schönheit man bisher kaum etwas geahnt hat. Nur selten
wird derart offensichtlich, wie sehr unsere Wahrnehmung von den
engen Grenzen unserer Sinne eingeengt wird, wie klein der Realitätsausschnitt
ist, den sie an unser Gehirn weiterleiten und aus dem unsere Sicht
der Welt - unser Weltbild - “zusammengebaut" ist. Wie
Kage dies zum Teil mit selbstentwickelten Färbetechniken und
Beleuchtungstricks erfahrbar macht, zeugt nicht nur von großem
technischem Können und fotografischer Brillanz, sondern ebenso
von hohem ästhetischem Empfinden.
Erde |
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Rechts
und oben: Wie eine futuristische Architektur oder ein Raumschiff
aus einem Sciencefiction-Film erscheint Palladium im Rasterelektronenmikroskop |
Schon früh in seinem Leben gelang es Kage,
seine scheinbar widerstrebenden Interessen an Naturwissenschaft
und Kunst miteinander zu verbinden. Er studierte Chemie, Philosophie
und Malerei und erlernte die wissenschaftliche Fotografie und Mikroskopie.
Bereits 1960 gründete er das heute international renommierte “Institut
für wissenschaftliche Fotografie" (seit 1972 auf Schloß Weißenstein
bei Göppingen). Gut zwei Jahre darauf machte er auch als Künstler
auf sich aufmerksam: Er war Mitglied der international bekannten
Künstlergruppe “Zero", die Anfang der 60er Jahre
vor allem mit lichtkinetischen Festen und Happenings sowie mit
dada-ähnlichen Manifesten für Aufsehen gesorgt hat. Gemeinsam
mit den noch heute als Künstler weltweit angesehenen Zero-Mitgliedern
Heinz Mack, Otto Piene und Günther Ücker erhielt er 1963
den 1. Preis der “Biennale" in San Marino. Vier Jahre
später war er mit besonderen Kristallbildern auf der Weltausstellung
in Montreal vertreten.
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Links:
Mischkristalle funkeln in polarisiertem Licht in allen Farben
des Regenbogens; im Video können
sie sogar in Bewegung, noch im Verlauf ihres Wachstums, betrachtet
werden.
Ganz links: Selbst komplexe “organische" Formen, hier
ein “Federkleid°, findet man in der Mikrowelt wieder (Kristalle
vom Erdölprodukt Triphenymethan) |
Bereits Anfang der 60er Jahre hatte Kage auch begonnen,
mit dem damals noch jungen Medium Video zu experimentieren. 1964
zeigte er in Zürich seine erste Video-Performance - ihr Thema:
Kristalle. Dem folgten zahlreiche international beachtete multimediale
Spektakel - zum Beispiel eine Multimedia-Performance gemeinsam
mit mehreren Künstlern im New Yorker "Electric-Circus" (1969),
die Multimedia-Show “Das galaktische Weltbild" (1989
in Zürich, Stuttgart, Karlsruhe und München gezeigt),
3-D-Dia-Multivisionen in Taiwan (1991, 1994 und 1996), Multimedia-Konzerte
und die Auftragsproduktion “Makrokosmos- Mesokosmos-Mikrokosmos" für
die “Multimediale III" in Karlsruhe, bei der er insgesamt
sage und schreibe 16 Dia- und Spezialprojektoren sowie einen Videobeam
auf 7 Leinwänden benutzte (1993). Zudem gestaltete er für
Weltkünstler Salvadore Dalis Video “Hommage á la
haute Mongolie" die Special Effects (1975), war an dem Science-fiction-Experimentalvideo “Solaris" beteiligt
(1977), produzierte den Kinofilm “Miracle of the Unknown" (1990)
und gestaltete 1995 für den Forschungsneubau von “Procter & Gamble" in
Cincinnati/USA 90 große Wandbilder sowie eine dazugehörige
CD-Rom über verschiedene Gebiete der künstlerisch-wissenschaftlichen
Mikrofotografie; der Weltkonzern hatte dafür den weltweit
besten Bildgestalter im Mikrobereich gesucht, und seine Wahl fiel
auf Manfred P. Kage. Seine jahrzehntelangen Erfahrungen und sein
großes Wissen im Bereich der multimedialen Kunst konnte Kage
1993 im Rahmen einer Gastprofessur an der Karlsruher Hochschule
für Gestaltung auch an junge Künstler und Studenten weitergeben.
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Luft |
Den geometrischen
Formen des Elementes Erde setzt die Luft schwebende Leichtigkeit
entgegen (hier als verdunstende ätherische Öle, sichtbar
in sogenannter “Schlierenoptik") |
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In seinem über 30jährigen künstlerischen
Schaffen blieb Kage aber auch seiner Leidenschaft als Naturwissenschaftler
treu. So war er 1970 auf der Weltausstellung in Osaka mit einer
Audioskop-Multivision vertreten, in der Tonschwingungen sichtbar
gemacht werden. In den 80er Jahren drehte er mehrere wissenschaftliche
Filme für ARD, ZDF, SAT 1, SFB und SWF, und 1985 gelang ihm
die weltweit erste Mikroaufnahme von integrierten Schaltkreisen,
den Mikro-Chips. Sein jüngstes sowohl wissenschaftliches als
auch künstlerisches Projekt (neben der hier vorgestellten
Videoreihe) ist eine 3-D-Diaschau für das “National
Museum for Natural Science” in Taichung/Taiwan - ihr Thema: “Phantastische
Mikrowelt - die unendliche Reise im Wassertropfen".
Erde |
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Urplötzlich
tauchen völlig regelmäßige Kreise in einer
nahezu gleichförmigen Fläche auf, fast wie eingefrorene
Wirbel (oben rechts); Schwefel sendet feurige Kreise und Zacken
aus (oben links), ihnen folgen kometenartige Einschläge
(re.) und florale zarte Gebilde (unten) - die Mikrowelt ist
ebenso schön und vielfältig in ihren Erscheinungen
wie die unsere; die Formen gleichen sich |
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All diese Erfahrungen sowie die Ergebnisse von Forschungsprojekten
in Zusammenarbeit mit verschiedenen Naturwissenschaftlern trugen
dazu bei, daß seine “Videoreise" durch die vier
Elemente zu einer derart ungewöhnlichen, die Wahrnehmung und
damit gewissermaßen auch das Bewußtsein erweiternden
Bilderfahrung wurde.
Luft |
Es bedarf
eines besonders kreativen, unkonventionellen Geistes, um die
Schönheit von Luftformen zu entdekken - hier beim Durchfließen
eines normalen Katalysators |
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Quasi im Gegensatz zu den eingangs erwähnten
transparenten und flüchtigen Formen im Video “Luftskulpturen" stehen
die kristallinen Formen, die das Element Erde in dem Film “Kristallreisen" repräsentieren.
Kage stellte dafür nicht nur außergewöhnliche Aufnahmen
von Edelsteinen zusammen, er filmte sogenannte Mischkristalle sogar
in Bewegung, ließ sie vor laufender Kamera wachsen. In spezieller
Beleuchtung (polarisiertem Licht) werden dabei die unterschiedlichsten,
in allen Regenbogenfarben glänzenden geometrischen Formen
sichtbar. Man glaubt geheimnisvolle Farne zu erkennen, utopische
Bauwerke oder ferne Galaxien.
Das ästhetische Spiel von Farben und Formen hat der Komponist Dieter
Kolb auch in den speziellen Vertonungen der beiden Elemente-Videos aufgegriffen.
So kann man staunend den Bildern des filmischen Kunstwerks folgen und
sich - geführt von den Klängen - langsam in eine immer intensivere
meditative Schau der Mikrowelt vertiefen.
"Unser `Welt-Bild` wird
wesentlich von den engen Grenzen unserer Sinne bestimmt"
Die Videoreihe “The Art of Science
and Nature" ist erschienen im “Spektrum Akademischer
Verlag", Heidelberg; erhältlich im Buchhandel (über “Aquarius",
Gilching) oder direkt von: SFG - Medienservice, Holzwiesenstr.
2, 72127 Kusterdingen, Tel.: 07071/935360, Fax: 935393 oder
von “Gold & Apple", Kleegarten 9, 69123 Heidelberg,
Tel.: 06221/ 830953; Preis pro Video: 39,80 DM |
Bildquellen: ©Manfred P. Kage
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