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Erschienen in: esotera 2/1995
(Seite 80-83) |
"LebensArt" in Magdeburg
Mit großem persönlichen Engagement entstand
in Sachsen-Anhalt ein esoterisches Zentrum, das auch in den alten
Bundesländern wenige Parallelen hat. Hier lernen viele Menschen
erstmals Tai Chi, Trance Dance, Qi Gong und andere, neue Formen
der Energiearbeit kennen, die zu DDR-Zeiten tabu waren
Von Ulrich Arndt
Umgeben von meist tristgrauen Beton-Plattenbauten liegt das „Zentrum
LebensArt" nahe der Fußgängerzone in der Mitte von Magdeburg,
der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts. Die Initiatorin Sonja Blanck hat
mit dieser Seminar- und Begegnungsstätte eine Idee verwirklicht,
deren Ursprünge noch in die Zeit vor der „Wende", in
die letzten Jahre der DDR zurückreichen: einen Ort zu schaffen,
an dem man „Grenzen überschreiten", sein Bewußtsein
erweitern, „spirituelle Nahrung, menschliche Nähe und seelische
Heilung" finden kann, um „vom Spielball des Schicksals zum
Schöpfer seines Lebens" zu werden.
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Foto oben: Sonja Blanck
konnte mit dem Zentrum jetzt eine Idee aus DDR-Zeiten verwirklichen.
Linke Seite oben: Trommelseminar im „LebensArt":
Linke Seite unten: Das unscheinbare Gebäude einer früheren
chemischen Reinigung wurde zum energetischen „Zentrum" der
Stadt |
Für die Menschen in den neuen Bundesländern
hat sich mit der Wiedervereinigung das Leben völlig verändert.
Viele suchen zwangsläufig nach neuer Orientierung für
ihr Leben. „Alles ist im Aufbruch", sagt dazu Sonja
Blanck; Arbeitslosigkeit und Umschulungen seien nur die sattsam
bekannten äußeren Anzeichen. Ebenso gebe es zur Zeit
aber auch ein - oftmals eher unbewußtes - inneres Suchen. „Dafür
möchten wir mit unserem Zentrum 'LebensArt' Anregungen und
Hilfestellung geben", so die Initiatorin. Denn die gegenwärtige
Umorientierung der Menschen könne zugleich auch als Chance
für viele Hunderttausende verstanden werden, zu einem bewußteren
Leben und „tieferen" Lebenssinn zu finden; freilich
dürfe nicht das Anwachsen persönlichen materiellen Besitzes
mit individuellem seelischem Wachstum verwechselt werden. Die Chance
werde bisher leider nur von wenigen genutzt. Einige aber setzen
sich - zum Beispiel in Seminaren des Zentrums, wie „Kreative
Selbsterfahrung", „Intuitives Atmen" und „Selbstwert-Kurs" -
zum ersten Mal in ihrem Leben direkt mit ihrer inneren Suche auseinander,
mit ihren Träumen und Wünschen, aber auch ihrem zur DDR-Zeit
oftmals gering ausgebildeten Selbstbewußtsein.
Die verschiedenen Techniken der Körper- und Energiearbeit, wie Tai
Chi, Qi Gong, Shiatsu und Yoga, die sie jetzt im "Zentrum LebensArt" erlernen
können, sind für die meisten Menschen in den neuen Bundesländern
etwas völlig Neues. Zum ersten Mal kommen sie auch mit Reiki, Trance
Dance oder Rhythmustherapie durch Trommeln, mit Feldenkrais, Fußreflexzonenmassage,
Entspannungsmethoden und „Streßabbau" in Berührung. „Bis
zu meinem ersten Kursabend konnte ich mir unter Tai Chi nichts vorstellen",
bestätigen fast alle Teilnehmer des vormittäglichen Seminars.
Durch eine Informationsbroschüre bei einer örtlichen Krankenkasse
aufmerksam geworden, kamen sie einfach einmal vorbei und wollten wissen,
welche „gymnastische Energiearbeit" sich hinter dem exotischen
Namen Tai Chi verbirgt. Heute, nach einem halben Jahr regelmäßigen
Trainings, sind sie vor allem von der entspannenden Wirkung der Übungen
begeistert. „Das Bedürfnis nach solchen Anregungen ist bei
vielen groß. Das hat nichts mit Sektentum, Okkultismus oder mit
neuer Religiosität zu tun, sondern es ist ein Wunsch nach geistiger
Nahrung, nach neuen Erfahrungen in Lebensbereichen, die gerade in der
ehemaligen DDR zu kurz kamen", meint Sonja Blanck.
Um eine solche Erweiterung des Bewußtseins und Förderung der
Persönlichkeit bemüht man sich im „Zentrum LebensArt" schon
bei Kindern und Jugendlichen. Der Grund: Gerade bei ihnen brechen immer
wieder vehement Aggressionen aus. „Kein Wunder", meint Sonja
Blanck, „denn innerhalb weniger Monate hat sich vieles von dem,
was ihnen bis dahin in der Schule beigebracht worden war, als falsch
herausgestellt; sogar die Eltern reden jetzt oftmals völlig anders
als zu DDR-Zeiten. Woran sollen sie sich da noch halten?"
Kein neues Weltbild aber will man im „Zentrum LebensArt" den
Jugendlichen vermitteln, sondern sie darin unterstützen, ihren individuellen
Weg zu sich selbst zu finden. Über Tai Chi und andere Energieübungen
lernen die Jugendlichen, sich auf eine neue, sensiblere Weise wahrzunehmen
und auf ihre innere Stimme zu hören. So sollen sie Vertrauen in
sich selbst, aber auch eine größere Achtung vor dem anderen
- egal, ob Mensch, Tier oder Pflanze - entwickeln. Ihre überschüssigen
Energien und Aggressionen lernen sie mit Tai Chi und anderen Formen der
Körper- und Energiearbeit zu regulieren und auszugleichen. Zunächst
im Rahmen von Schulprojektwochen, später eventuell auch im schulischen
Sportunterricht, werden die Jugendlichen mit diesen hilfreichen esoterischen
Techniken bekannt gemacht. Ein Versuch, an dessen Ergebnissen sicherlich
auch viele Schulen in den alten Bundesländern großes Interesse
haben.
Das Erlernen eines ganzheitlicheren Umgangs mit dem Körper und allen
seinen Sinnen setzt im „Zentrum LebensArt" sogar noch früher
an - nämlich bei den Kleinkindern. „Musikgarten" heißt
ein Modell musikalischer Früherziehung, bei dem Kinder zwischen
18 Monaten und drei Jahren gemeinsam mit ihren Müttern in Musik „baden".
Doris Schipp, Lehrerin für Musik und musikalische Früherziehung,
hilft den Kleinen, durch gemeinsames Musizieren, Singen und Tanzen die
Welt der Klänge und heilenden Rhythmen spielerisch und kindgemäß zu
entdecken. Die Mütter beschäftigen sich auf diese Weise nicht
nur intensiv mit ihrem Kind, sondern können selbst im musikalischen
Spiel neue Facetten ihrer Persönlichkeit und seelische Blockaden
aufspüren.
Erste Tai-Chi-Kurse in Kirchenräumen
Ein solcher Weg inneren Wachstums, zu dem die verschiedenen
Kurse anregen wollen, war zu DDR-Zeiten fast nur in privatem Rahmen
möglich. Für Sonja Blanck, die Initiatorin des Zentrums,
war 1987 ein Workshop zur wegbestimmenden „spirituellen Nahrung" geworden:
Damals beim sogenannten „Kulturbund" für Natur-
und Umweltfragen angestellt, nahm sie als Laienpantomime an den „Tagen
des gestischen Theaters" des in der DDR-Theaterwelt bekannten „Pantomime-Theaters
Prenzlauer Berg" teil. Hier lernte sie Tai Chi und Qi Gong
kennen. „Von dieser Form der Körper- und Energiearbeit
begeistert, habe ich dann Unterricht bei einer der wenigen Tai-Chi-Lehrerinnen
in der DDR genommen", erinnert sich Sonja Blanck. Man traf
sich in kircheneigenen Gebäuden, und die wenigen Bücher
zu diesen Themen wurden kopiert und von Hand zu Hand weitergereicht.
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Oben rechts: Formen
der Energiearbeit (im Bild Reiki) werden durch das Zentrum
jetzt auch dort einem größeren Kreis von Menschen
bekannt. Ganz oben rechts: Eine musikalische Früherziehung
fördert das ganzheitliche Erleben bereits bei Kindern.
Links: Tai-Chi-Kurs im „LebensArt" |
„Bereits vor der Wende habe ich dann selbst
die ersten Tai-Chi-Kurse gegeben - meist draußen in der Natur",
berichtet sie weiter. Zu dieser Zeit hatten sich im Rahmen der
Kirchengemeinden Magdeburgs kleine Gruppen zusammengefunden, die
sich für spirituelle Erfahrungen interessierten. „Erlebnisorientierte
Selbsterfahrung" nannten die Teilnehmer ihre Aktivitäten
unverfänglich. Auch an der regelmäßig weltweit
stattfindenden Meditation „Peace 21", die mit Gedankenkraft
dazu beitragen wollte, „Ost" und „West" zu
verbinden, nahmen viele aus diesen Gruppen teil. „Gemeinsam
meditierten wir auch an Megalithgräbern der Umgebung und bei
alten kraftvollen Bäumen", berichtet sie weiter. Nach
der Wende, 1991, holte sie dann bei Foen Tjoeng Lie die offizielle
Ausbildung zur Tai-Chi-Lehrerin nach und ist heute eine der wenigen
in ganz Deutschland, bei denen man die .,Fächerform" des
Tai Chi erlernen kann.
„Man muß auch etwas wagen, sagte ich mir dann und machte mich als
Tai-Chi-Lehrerin selbständig." Noch im selben Jahr gelang es ihr, einige
Krankenkassen in Magdeburg davon zu überzeugen, Tai-Chi- und Qi-Gong-Kurse
als gesundheitsfördernde Maßnahmen anzuerkennen und dementsprechend
die Kosten zu übernehmen. Nicht nur bei Wochenendkursen, sondern auch bei
halbjährigen Seminaren. Damit mauserte sich Magdeburg zu einem Vorbild weit über
Sachsen-Anhalt hinaus.
Krankenkasse zahlt Einstiegs-Seminare
Die von den Krankenkassen geförderten Kurse
lieferten die finanzielle Basis für das heutige Zentrum. „Eigene
Räume aber waren nötig, da die gemieteten kaum für
das Hineinspüren in tiefere Ebenen und für feinere energetische
Wahrnehmungen geeignet waren", erinnert sich Sonja Blanck.
Oftmals mußten erst noch Stühle und Tische weggeräumt
und Aschenbecher ausgeleert werden, bevor ein Seminar beginnen
konnte. In den Räumen des neuen Zentrums aber sei die Atmosphäre
deutlich besser, was den Übenden gerade am Anfang ihrer Energiearbeit
das „Einstimmen" erleichtere. Das spüren auch Seminaranfänger
deutlich: „Wir haben uns hier sofort wohl und irgendwie ruhiger
gefühlt", meinen die weiblichen Teilnehmer einer Tai-Chi-Gruppe übereinstimmend.
Warmes Holzparkett, hölzerne Dachbalken und Pflanzenarrangements
im großen Übungsraum des Zentrums haben sichtbaren Anteil
daran, daß auch bei trübem Wetter eine angenehme Atmosphäre
herrscht. „Es steckt hier aber auch viel Liebe drin", deutet
Sonja Blanck an, was an unsichtbaren Elementen wahrscheinlich energetisch
ebenfalls dazu beiträgt. Von außen wirkt das flache Gebäude
eher unscheinbar - nur ein großes chinesisches Yin-Yang-Zeichen
von immerhin drei Meter Durchmesser auf dem Gehweg vor dem Haus weist
auf die Besonderheit in seinem Inneren hin.
Geistige „Reinigung" für
die Stadt
Um so nachhaltiger beeindruckt die angenehme Wirkung
drinnen. Fast wäre das Projekt im letzten Moment noch gescheitert.
Das geeignete Gebäude war mit dem Flachbau einer ehemaligen
Reinigung gleich neben der Magdeburger Stadtbibliothek zwar bald
gefunden, doch die Finanzierung war nicht gesichert. Auch hier
fand Sonja Blanck schließlich eine unkonventionelle und beispielhafte
Lösung: Ein Aufruf mit der Bitte um private Darlehen und Spenden
sicherte einen Teil der nötigen Renovierungskosten; ein religiös
und politisch unabhängiger Förderverein - „Wege
e. V" - wurde gegründet und fungiert seitdem als Träger
des Zentrums. Vor allem die Vereinsmitglieder sowie deren Freunde
und Bekannte machten das Ganze dann doch noch möglich: Gemeinsam
renovierten sie und bauten in ihrer Freizeit unentgeltlich das
Gebäude um, so daß die knappen finanziellen Mittel schließlich
doch für die nötigsten Renovierungen reichten.
„Fast hat es schon eine symbolische Bedeutung, daß wir ausgerechnet
im Gebäude einer ehemaligen Reinigung untergekommen sind", meint Sonja
Blanck halb scherzhaft. Statt der früheren äußerlichen Reinigung
von Stoffen und Kleidern trage man heute ein wenig zur inneren, geistigen und
seelischen Reinigung" bei. „So wird unser Zentrum für die Stadt
Magdeburg gewissermaßen zu einem energetischen Ort der Heilung."
Bildquellen: ©Sonja Blanck, ©Ulrich Arndt
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